Qualifikationskonzept
Wasserstoff-Antriebssysteme in Fahrzeugen weisen deutliche Unterschiede zu konventionellen Fahrzeugantrieben auf. Deshalb sind umfassende und systemspezifische Qualifizierungen der Beschäftigten, die an diesen Fahrzeugen arbeiten, erforderlich.
Die Informationsschrift FBHM-099 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bildet die Grundlage für die Qualifizierung von Personen, die Arbeiten an Fahrzeugen und Versuchseinrichtungen mit Gassystemen und deren Komponenten ausführen oder diese bedienen. Arbeiten an Gassystemen im Sinne dieser Qualifizierungsstufe sind Arbeiten an gasführenden Teilen auf der Basis von Arbeits- und Reparaturanleitungen der Anlagenhersteller bzw. Fahrzeughersteller sowie auf der Basis von Gefährdungsbeurteilungen. Für Arbeiten an Land- und Baumaschinen mit Wasserstoff-Antriebssystemen gelten die Vorgaben der FBHM-099 entsprechend.
Die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ verpflichtet den Unternehmer bei der Übertragung von Aufgaben auf Versicherte, dafür Sorge zu tragen, dass die Versicherten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten.
Grundsätzlich unterscheidet die DGUV-Information dabei Qualifizierungen für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Produktions- und Herstellungsprozess und Servicewerkstätten, wobei letzterer Bereich der Situation in Ausbildungsstätten wie z. B. Schulen entspricht.
Diese Information bezieht sich nicht auf Tätigkeiten an Gassystemen, wie z. B. Flüssiggasanlagen in Fahrzeugen, die nicht dem Antrieb dienen. Weiterhin gilt diese Information nicht für Tätigkeiten an Hochvoltsystemen im Fahrzeug. Kommen in Fahrzeugen mit Gasantrieb zusätzlich Hochvoltsysteme zum Einsatz, wie es bei Brennstoffzellenfahrzeugen der Fall ist, ist zusätzliche eine Qualifizierung der Beschäftigten entsprechend der DGUV- Information 209-093 „Qualifizierung für Arbeiten an Hochvolt-Systemen“ erforderlich. Darüberhinaus ist eine herstellerspezifische Einweisung in das Fahrzeug nötig. (Siehe Abbildung 2)
Qualifikation nach DGUV
Qualifikation nach DGUV
Die DGUV-Information FBHM-099 unterscheidet im Bereich der Arbeiten an Fahrzeugen mit Gassystemen grundsätzlich zwischen vier aufeinander aufbauenden Qualifizierungsstufen. Diese sind von der Stufe S bis hin zur Stufe 3S gestaffelt. Mit jeder Stufe dürfen komplexere Arbeiten und Arbeiten mit größerer Gefährdung durchgeführt werden. (Abbildung 1 und 2)
Die erste Stufe Sensibilisierung (S) umfasst dabei lediglich die Bedienung und den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Fahrzeugs. Personen, die Fahrzeuge mit Gasantrieb bedienen, müssen auf die fahrzeugspezifischen Eigenschaften und mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch vertraut gemacht werden. Das betrifft das Führen und Betreiben des Fahrzeugs und schließt dem Bedienen gleichzusetzende Tätigkeiten ein. Hierzu zählen zum Beispiel die Kontrolle und das Nachfüllen von Betriebsstoffen sowie der Austausch einfacher Verschleißteile, wie z. B. der Wischerblätter. Die Sensibilisierung kann vom Unternehmer oder von einer geeigneten Person, z. B. von einer qualifizierten Person Stufe 2S, durchgeführt werden. Der zeitliche Aufwand für die Unterweisung orientiert sich am Umfang der fahrzeugspezifischen Besonderheiten. (Abbildung 3)
Personen mit der nächsthöheren Qualifikation (1S) sind befähigt, auch allgemeine Arbeiten am Fahrzeug durchzuführen, die nicht unmittelbar das Gassystem betreffen. Dazu zählen z. B. Karosseriearbeiten, Öl- und Radwechsel, Arbeiten an der konventionellen Bremsanlage in der Nähe von Gasleitungen sowie Arbeiten am konventionellen Bordnetz. Beschäftigte könnten bei diesen Arbeiten durch Fehlbehandlungen oder im Fehlerfall (undichtes Gassystem) einer Gefährdung ausgesetzt sein. Für umfangreichere mechanische Arbeiten, die unter Umständen in der Nähe von Gaskomponenten durchgeführt werden, wie Schweiß-, Bohr- und Schleifarbeiten, ist die Kenntnis der genauen Lage der Gas-Komponenten erforderlich. Die unterwiesenen Personen müssen beim Umgang mit Werkzeugen und Hilfsmitteln in der Nähe des Gas-Systems auf die möglichen Gefahren hingewiesen werden. Personen mit dieser Qualifizierung dürfen keine Arbeiten an Komponenten des Gassystems durchführen. Unterstützende Arbeiten an Gassystemen dürfen von Personen mit Qualifizierungsstufe 1S nur unter Leitung und Aufsicht von Personen mit höher Qualifizierung (2S, 3S) ausgeführt werden. Die Verantwortung trägt die aufsichtführende Person. (Abbildung 4)
Fachkundige Personen für Arbeiten an Gassystemen mit der Stufe 2S sind aufgrund ihrer Qualifizierung befähigt, an Gasfahrzeugen selbstständig und sicher zu arbeiten. Arbeiten an Gassystemen im Sinne dieser Qualifizierungsstufe sind Arbeiten an gasführenden Teilen auf der Basis von Arbeits- und Reparaturanleitungen der Anlagenhersteller sowie auf der Basis von Gefährdungsbeurteilungnen. Sie beinhalten unter anderem die Fehlersuche am Gassystem, das Inertisieren, das Entleeren, die Wiederinbetriebnahme des Gassystems sowie die Dichtheitsprüfung (GAP) und das Dokumentieren. Personen die eigenverantwortlich Instandhaltungsarbeiten durchführen, müssen erfolgreich eine Schulung nach §41a StVZO Anlage XVIIa (GAP) abgeschlossen haben und innerhalb von 36 Monaten erfolgreich wiederholen. Die Schulung ist durch ein entsprechendes Zertifikat nachzuweisen, aus dem der Schulungsumfang und das angewendete Gas bzw. Gassystem hervorgeht. Der zeitliche Umfang der Schulung muss mindestens 8 UE betragen. (Abbildung 5)
Die Tätigkeit der letzten Qualifizierungsstufe 3S umfasst die Nachrüstung von Gassystemen oder Komponenten in Fahrzeugen und die abschließende Einbauprüfung (GSP) und Dokumentation. Personen die eigenverantwortlich Gasanlagen nachrüsten, müssen erfolgreich eine entsprechende Schulung absolviert haben. Die Schulung ist durch einen Nachweis der erworbenen Fähigkeiten in Theorie und Praxis nach §41a StVZO Anlage XVIIa abzuschließen und muss innerhalb von 36 Monaten erfolgreich wiederholt werden. Sie ist durch ein entsprechendes Zertifikat nachzuweisen, aus dem der Schulungsumfang und das angewendete Gas oder Gassystem hervorgeht. Der zeitliche Umfang der Schulung muss mindestens 24 UE betragen. (Abbildung 6)
Der Umgang mit Gas-Fahrzeugen bzw. -Systemen erfordert ein hohes Maß an Arbeitsschutz, Qualifizierung und Verantwortung. Unternehmerinnen und Unternehmer tragen dabei die Verantwortung dafür, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die für die durchgeführten Arbeiten notwendige Qualifikation verfügen und sicheres Arbeiten an Fahrzeugen mit Gassystemen möglich ist. Dazu gehört unter anderem die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung, Schaffung einer geeigneten Organisation, die Bereitstellung der erforderlichen Mittel und Informationen, die Auswahl und Qualifizierung von Beschäftigten, die Einweisung und Unterweisung von Beschäftigten und die Erstellung von Betriebsanweisungen. Im Bereich der Schulen trägt diese Verantwortung die Schulleiterin bzw. der Schulleiter.
Qualifikationskonzept für Lehrkräfte
Qualifikationskonzept für Lehrkräfte
Arbeiten an Fahrzeugen mit Gassystemen dürfen nur von Personen mit entsprechender Qualifizierung durchgeführt werden. Deshalb müssen die Regelungen der DGUV-Information FBHM-099 sinngemäß Anwendung auf die Qualifikation von Lehrkräften sowie die Ausstattung von Werkstätten mit Brennstoffzellenfahrzeugen finden. Bezogen auf Lehrkräfte beruflicher Schulen, die im Berufsfeld Fahrzeugtechnik unterrichten, hat diese Regelung zur Folge, dass je nach vorhandener Qualifikation eine Zusatzqualifizierung notwendig ist, um einer aktiven, kontinuierlichen und präventiven Erfüllung der Sorgfaltspflicht nachzukommen, dieser in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen und die geltenden Vorschriften der Berufsgenossenschaft zu beachten. Zukünftige Fahrzeuggenerationen, also auch die Schulungsfahrzeuge, werden ggf. zunehmend mit Gassystemen, bei denen Wasserstoff als Energieträger genutzt wird, ausgestattet sein.
Dazu hat die ALP-Dillingen ein Qualifikationskonzept für Lehrkräfte erstellt, das den Anforderungen der DGUV-Information FBHM-099 Rechnung trägt. Grundsätzlich umfasst dieses Qualifikationskonzept drei Bausteine. Der Selbstlernkurs, als erster Baustein, mit einem Umfang von 16 UE dient zur theoretischen Vorbereitung auf die Präsenz und Unterrichtsbegleitung. Als nächster Baustein ist die Teilnahme an einer Präsenzveranstaltung mit einem zeitlichen Umfang von 8 UE geplant, in der die theoretischen Kenntnisse angewendet und vertieft werden. Abgeschlossen wird das Qualifizierungspaket mit dem dritten Baustein, einer fahrzeugspezifischen Einweisung des Herstellers, um einen sicheren Umgang mit den jeweiligen Gassystemen und Besonderheiten des Herstellers zu gewährleisten. Die Teilnahme an allen Bausteinen (Online und Präsenz) des Fortbildungsangebots qualifiziert die Stufe 2S gemäß der DGUV-Information FBHM-099.
Eine höhere Qualifizierung in Stufe 3S ist für Lehrkräfte aktuell uninteressant, weil es derzeit keine Möglichkeiten zur Nachrüstung von Gassystemen mit Wasserstoff gibt und die Brennstoffzellenfahrzeuge bereits ab Werk mit diesen Systemen ausgestattet sind.
Bei der Qualifizierung 2S „Arbeiten an Gassystemen“ werden in einem Online-Selbstlernkurs die rechtlichen Grundlagen, das Qualifikationskonzept, die Grundlagen der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik, die dazugehörigen Baugruppen und Komponenten, die Wasserstoffspeichertechnik sowie Arbeitsschutzmaßnahmen und anfallende Werkstattarbeiten vermittelt. Dieser schließt mit einem Test ab. Es ist geplant, dass die Präsenzveranstaltung in regelmäßigen Abständen überregional an ausgewählten Schulen stattfindet. Dabei wird vertieft auf die vor Ort vorhandene fahrzeugspezifische Technik, die Arbeitsschutzmaßnahmen und die praktischen Tätigkeiten in der Werkstatt eingegangen. Im letzten Teil des Qualifikationskonzeptes erfolgt die Anwendung auf die Gegebenheiten an der jeweiligen Schule vor Ort. Je nach Fahrzeugmarke müssen sich die Lehrkräfte von ihrem Fahrzeuganbieter vor Ort in das beschaffte Fahrzeug einweisen lassen.

Umsetzung an der Schule
Die Qualifikationsstufen der DGUV-Information FBMH-099 sind in das Qualifikationskonzept für Lehrkräfte der ALP-Dillingen integriert. Sie finden darin sinngemäß ihre Anwendung.
Soll ein Brennstoffzellenfahrzeug im Lernfeldunterricht eingesetzt werden, empfiehlt es sich das Qualifikationskonzept der ALP-Dillingen zu nutzen. Werden im Rahmen des Unterrichts beispielsweise Arbeiten an der Bremsanlage durchgeführt, so muss die unterrichtende Lehrkraft mindestens eine Qualifikation der Stufe 1S nachweisen können. Dies kann im Schulbetrieb erreicht werden, wenn die betreffende Lehrkraft die Qualifikation 2S im Rahmen des ALP-Qualifikationskonzeptes erwirbt. Diese geht über die Qualifikation einer Fachkundigen Person 1S hinaus und beinhaltet diese. Oder die betreffende Lehrkraft erhält eine Unterweisung zur Fachkundigen Person 1S von jemandem, der bereits im Besitz einer höheren Qualifizierung 2S/3S ist. Danach dürfen aber lediglich Arbeiten am Brennstoffzellenfahrzeug durchgeführt werden, die auch dieser Qualifikationsstufe entsprechen. Da Brennstoffzellenfahrzeuge über ein Hochvolt-System verfügen, wird die entsprechende Qualifikation aus der DGUV 209-093 bzw. aus dem Qualifikationskonzept für HV-Fahrzeuge vorausgesetzt. Für darüber hinausgehende Arbeiten am Gassystem, insbesondere für die Fehlersuche und Tausch von Komponenten des Gassystems, ist Qualifikationsstufe 2S notwendig. Grundsätzlich gilt jedoch für alle Arbeiten an einem Brennstoffzellenfahrzeug, dass die entsprechenden Herstellervorgaben, unabhängig von der erreichten Qualifikationsstufe, immer einzuhalten sind.
Das Qualifikationskonzept der ALP-Dillingen ist primär für Arbeiten an Fahrzeugen in einem schulischen Zusammenhang entwickelt worden.